Welcher Baum hält die Hitze aus?

Es war eine denkwürdig schöne Führung durch den Botanischen Garten in Bayreuth mit Dr. Gregor Aas, weil er ein so sympathischer, kluger und humorvoller Mensch ist.

Seine Zuhörer-innen entführte er in das Reich der Pflanzen von Kleinasien, des Himalaya, von Nordamerika, Japan und Ozeanien. Wir erlebten den "Indian Summer" mit all seinen Herbstfarben, und konnten hie und da Samen stiebitzen. Ich bekam sogar eine echte Schwarzpappel geschenkt, im Topf - für das Ufer unterhalb der VR-Bank. Sie hält nämlich feuchten Boden aus.

Dr. Aas ist seit 25 Jahren im Botanischen Garten aktiv. Seine Leute überwachen dort 6000 Pflanzenarten. Zwischen ihnen verstecken sich oft Rehe. Sie werden ab und zu gejagt. Dr. Aas kommt übrigens vom Forstwesen und ist selber Jäger.

Er erläuterte zuerst die Wald- und Holzsituation. Jeder zweite Kubikmeter Holz ist bei uns Import. Selbst hat Deutschland nur 80 Mill Kubikmeter im Jahr, wovon die Hälfte verheizt wird. Importiert werden noch einmal 80 Mill Kubikmeter - aus Weißrussland, Rumänien, Skandinavien, Tschechien und Nordamerika. Im Schnitt verbraucht jeder Deutsche im Jahr 1 m³ Holz (als Papier, Möbel, Heizung...).

Was bei uns in Möbel und Holzhäuser verbaut wird, hat nur eine durchschnittliche Lebensdauer von 25 Jahren.

Die Reh-Gefahr

Dr. Aas: "Wir haben massiv zu viele Rehe im Wald, sie fressen die Jungbäume." Man sollte deshalb neu gepflanzte Bäume immer umzäunen. Die Jäger lassen nämlich die großen Rudel leben, weil sie sonst keine Tiere sehen, wenn sie auf dem Hochsitz sind. Sie müssten sie mühsam suchen. "Jagd ist Knochenarbeit." Nur 2 % der Deutschen sind Jäger, aber 20 % der Parlamentarier. Deswegen ändern sie die Gesetze nicht, um das Rehwild einzudämmen, vermutet Dr. Aas.

Zu spät erkannt

Dann zum Klimawandel: 1,5 Grad Erhöhung der Welttemperatur sind schon erreicht, die angepeilte Grenze von 2 Grad wird bestimmt bald überschritten. Dramatisch ist dabei der sinkende Grundwasserspiegel, die Wurzeln kommen nicht mehr ran.

Wir haben 70 % Nadelwald. Im Mittelalter gab es nur noch 20 % Wald in Deutschland, heute sind es 35 %. Die Mittelalter-Menschen befürchteten eine Krise (kein Holz mehr für ihre Verhüttungen) und pflanzten Fichten/Kiefern, weil die schnell viel Holz bringen.

In den letzten 50 Jahren reagierte der Forst zu wenig auf das heißere Klima. Man dachte: Die Buche hält es aus - aber das ist nicht so. Nur die Stieleiche (sie hat lange Stiele an den Eicheln) steckt die Hitze einigermaßen weg. Noch besser klappt es bei der Wildkirsche, bei der Traubeneiche (sie hat lange Blattstiele und kurze Stiele an der Eichel, was dann zur Traubenbildung führt) und beim Feldahorn. Diese drei profitieren von mehr Wärme, auch die Hainbuche und die Elsbeere. "Das sind Hoffnungsträger."

Studenten erkunden anhand von Analog-Gebieten, die schon heiß sind (Balkan, Südfrankreich), was dort noch wächst - und denken, das wächst dann künftig auch bei uns.

Auch die Steineiche wird im Jahr 2100 nicht mehr da sein, prophezeite Dr. Aas, wohingegen die Birke schon jetzt ein Verlierer ist - vor allem in den Städten, wo sie genau wie die Linde dem Wärmestress nicht mehr standhält. Ebenfalls zu den Klima-Verlierern gehört der Bergahorn.

Hitze-resistent ist der Speierling, eine Apfelsorte mit einem Top-Holz. Viel Zukunft hat auch die Flaum-Eeiche, weil sie aus dem Mittelmeerraum stammt. Bei uns ist sie schon bis nach Jena vorgedrungen, weil ihr dort der Muschelkalkboden passt.

Die Robinie aus den USA steckt auch eine Erwärmung um 5 Grad problemlos weg, sogar geringen Regen. Aber sie bringt viel Stickstoff in den Boden und verzweigt sich unterirdisch sehr weit für den Nachwuchs. Sie bringt neue Schädlinge mit und wird eventuell von Pilzen angegriffen, die sie nicht gewöhnt ist. Ihr Samen lebt extrem lang.

Solche Bäume ändern den Boden aber so stark, dass rundum Orchideen verschwinden und stattdessen Brennessel oder Holunder auftauchen. Trotzdem: "Wir müssen fremde Bäume ausprobieren und Erfahrungen sammeln." Deutschland hat 2,5 % Fremdbäume. Die Douglasie macht davon 2 % aus, die Roteiche einen minimalen Prozentsatz.

Mit Kolumbus fing es an

Dr. Aas pflanzte auch rabiat wuchernde Fremdarten an, um sie den Besuchern zeigen zu können, z. B. den Sachalin-Knöterich und die Ambrosia (sie ähnelt dem Beifuß). In Deutschland gibt es seit 1492, als Kolumbus neugierig etliches Exotische mitbrachte, 1500 Fremdpflanzen. 20 von ihnen sind problematisch, weil sie giftig sind. Das indische Springkraut aber ist ungefährlich, weil es sich selbst erledigt: Wenn man es nicht ausreißt, geht es nach 10 Jahren von allein ein. Das Ausreißen gibt ihm nämlich die Luft zum Verbreiten.

Bei den Ulmen leiden die Berg- und Feldulme an einem eingeschleppten Pilz. Die Flatter-Ulme hingegen hält ihn aus.

Seit 15 Jahren haben wir auch das Eschentrieb-Sterben, weshalb in einigen Bundesländern die Baumschulen ein Verbot haben, Eschen zu ziehen.

Die Mandschurei-Esche in Japan hält diesen Parasit aus, auch die USA-Esche. Dr. Aas: "Ein schlauer Parasit bringt seinen Wirt nicht um."

In den feuchten Auwäldern kommt es gerade zum Erlen-Sterben. Die Biologen hoffen jetzt, dass unter den Tausenden von Samen, die in einem Mastjahr von den Bäumen fallen, einige resistente Samen sind. Deshalb geben sie z. B. auch bei der Buche ihre Hoffnung nicht auf, wärme-resistente Arten zu entdecken.

Am Besten: Natürliche Auslese

Lässt man der Natur ihren Lauf, so Dr. Aas, dann verjüngt sich ein Wald selbst: auf einen Hektar fallen nämlich 40 000 Samen von 13 Baumarten. Die sollte man wachsen lassen und nur ergänzend Neophyten (Fremdpflanzen) anpflanzen, die neuen Hoffnungsträger. Denn der natürliche Ausleseprozess lässt einzelne Samen durchkommen.

Die Walnuss breitet sich schon seit 30 Jahren bei uns stark aus, weil sie aus warmen Ländern kommt. Schon in der Steinzeit wurde sie aus Südosteuropa importiert. Die Eichelhäher schlingen sie inzwischen auch herunter (und spucken sie zum Eingraben wieder aus). Ein Eichelhäher schafft im Jahr 5000 Eicheln. Er ist also der Waldanpflanzer. 80 % des Vergrabenen findet er im Winter wieder.

Der Tannenhäher im Gebirge, der die Zirbelkiefer-Zapfen vergräbt, merkt sich die Umgebung dieser Stelle so gut, dass er im Winter durch 1 m Schnee schräg einen Tunnel graben kann, um genau diesen Punkt zu treffen.

Die Baumhasel ist auch ein Hoffnungsträger (für Straßen und Parks) und stammt aus dem Balkan.

Die Weißtanne verträgt die Wärme besser als die Fichte, macht aber bei starker Hitze schlapp.

Der Burgen-Ahorn liebt die Wärme. Er kommt vom Mittelmeer, ist aber schon bei der Mosel zu finden und bei Hammelburg. In Baumschulen ist er aber selten zu haben, weil noch nicht populär.

Feine Dendrometer (Messgeräte) messen den Stammwuchs und stellen fest: Das Wetter wirkt sofort auf den Wuchs, vor allem die Hitze. Diese Stressfaktoren bremsen. Danach könnte der Baum wieder fröhlich weiterwachsen, aber die Fichte schafft das nicht. Sie bleibt stehen. Ganz anders die Libanon-Zeder: Sie macht am wenigsten schlapp, wenn es heiß ist, und erholt sich anschließend am besten. Sie dehnt ihren Stamm feste weiter aus.

Diese Fichte-Schwäche durch Hitze sorgte am Rennsteig, im Harz und im Frankenwald schon für kahle Berge. Dort wird jetzt mit Zedern aufgeforstet. Der Botanische Garten liefert seine Zedernsamen z. B. für diese Versuche schon nach Österreich und Westfalen.

Klima-resistent im Auwald sind Sumpfeiche und Schwarznuss.

Die Küstentanne aus den USA wächst schnell, braucht aber ein feuchtes Klima - hier in Bayreuth ist sie z. B. nicht glücklich. Man kann sie nicht im großen Stil einsetzen.

Die Kilikische Tanne aus Kleinasien, immer bei den Zedern dabei, hält die Hitze gut aus. Sie wird noch getestet.

Die Douglasie bringt zwar viel Holz, aber sie ist in unserem Klima nicht glücklich. In Rheinland-Pfalz, wo man sie anpflanzte, gibt es große Hitzeschäden. Auch der Borkenkäfer hat sie entdeckt. Normalerweise geht er nur auf lebende Fichten (er braucht Frischholz).

Neben der Sommerhitze hat Deutschland noch ein zweites Problem, den Boden. Denn er bekommt durch die Industrie- und Autoabgase zu viel Stickstoff.

Dr. Aas schloss seine Führung mit der Frage: "Was sollen wir anpflanzen?" Und antwortete: "Nichts. Es gilt nämlich das eiserne Gesetz des Standortlichen, d. h. nur da etwas anpflanzen, wo es hinpasst."

Seine zweite Lehre ist: "Mischen, mischen, mischen: Wer streut, der rutscht nicht aus." D. h. Mischwald anlegen. Er würde im Forst den heimischen Hoffnungsträgern den Vorzug geben, aber auch fremde Bäume ausprobieren.



Hier eine Schautafel, die zeigt, welche Bäume die Zukunft (unten stehen die Jahreszahlen) erleben werden. Sie bekommen dann, in den Jahren bis 2060, ihre grüne Zone - während andere Bäume (obere Hälfte der Tafel) zeitgleich eher verschwinden. Sehr zukunftsfähig sind demnach Feldahorn, Vogelkirsche, Zerr-Eiche, Edelkastanie, Hopfenbuche, Robinie, Manna-Esche, Flaum-Eiche und Steineiche - neben anderen Arten, die hier nicht aufgeführt sind.

Foto oben: Dr. Gregor Aas (re.) führte so fröhlich und lebendig durch die Baumarten, dass hinterher alle begeistert waren.

Foto: Thomas Knauber





Kontakt: Th. Knauber - E-Mail