Klima: Die Natur wehrt sich selbst

Es war ein super Vortrag von Dr. Andreas von Heßberg von der Uni Bayreuth zum Klimawandel. Zwei Stunden lang hörte jeder gebannt zu. Ihm gefiel dieses Publikum sehr, sagte er am Schluss. Weil sich eine so interessante Diskussion ergab.

Wohin führt die Hitze?

"Under pressure", unter Druck steht die Welt, sagte Andreas von Heßberg zu Beginn. Unter dem Druck des Menschen-Eingriffs, des Wetters, der Fressfeinde und der Landschaftsentwicklung. Sie hat eine eigene Dynamik, die wir Menschen mit unseren so kurzen 80 Lebensjahren nicht erkennen. Was kommt aus all dem in Zukunft heraus? "Das erforschen wir am Lehrstuhl für Störungs-Ökologie."

Kleine Störungen sind normal und gehören dazu. Auch Waldbrände. Sie vernichten alle 20 Jahre runtergefallenes Laub und Astholz. Würde das nicht auf diese Weise aufgeräumt, entstünde bei einem Brand, der nur alle 100 Jahre stattfindet, ein katastrophales Feuer. Das lang angesammelte trockene Unterholz würde dann auch hohe Bäume entflammen.

Das Gute von Störungen ist: Kommt es zu Serien-Störungen (Kaskaden), entsteht sogar ein neues Ökosystem. Mittlere Störungen schaffen durch ihre gedämpfte Heftigkeit und Anzahl eher viele neue Arten.

Der Klimawandel steigert diese Störungen. Aber er kann auch neue Nischen für neue Arten öffnen. Die Uni probiert vorherzusehen, was passiert. Sie hat im südlichen Botanischen Garten vier Experimentierfelder, wo man Regen, Kälte, Dürre und Hitze manipuliert, um die Folgen für eine Wiese, für Wurzeln und Pilze festzustellen. Die Fragen sind dabei: Wenn jetzt der Frühling 4 Wochen eher einsetzt, und trotzdem noch die "kalte Sophie" (Mitte Mai) kommt - wie halten das die zu früh gesprossenen Blüten/Blätter aus? Oder: Zieht unser heißer Sommer die afrikanische Wanderheuschrecke an?

Die Forschung hat aber noch Lücken bei einigen Themen wie "Winter ohne Frost", "Spätfrost-Schäden und Dürre", "Bäume und ihre Herkunft", sowie pflanzenfressende Insekten.

Aber europaweit sind viele Universitäten vernetzt, von Portugal bis Norwegen. Alle experimentieren mit den gleichen Methoden.

Geschrieben wird in dieser Richtung viel von den Öko-Professor-innen, vor allem zu den Klimafolgen für Wald und Grasland, aber am wenigsten für den Ackerbau - weil die Bauern immer wieder auf neue Sorten setzen und dem Klimadruck ausweichen.

Die "Experimental-Ökologie" veröffentlicht am meisten zu heftigen Dürren und heftigen Regen. Man prüft hier z. B. Mittelmeerbäume, die zwar anfangs 10 Jahre lang gut gedeihen, aber dann bei einem starken Spätfrost zamklappen. Man sieht sich auch gegüllte Wiesen an, weil mit einer Gülle-Ausbringung die Hälfte der Arten stirbt. Kommt noch ein heißer Sommer dazu, hat die Wiese große Löcher.

Wüste in Unterfranken

Franken trocknet sowieso aus: Es sind nur noch 2 x Mahd pro Jahr möglich. Oberbayern bekommt hingegen weiter viel Regen = 7 x Mahd. Unterfranken hatte heuer nur 200 - 300 mm Regen - und unterhalb von 200 beginnt die Wüste. Bayreuth lag bei 600, das obere Fichtelgebirge bei 1000. Von Heßberg: "Oberfranken wird bei diesem Klimawandel vermutlich mit einem blauen Auge davon kommen."

Solche Klima-Änderungen gab es schon oft. Bekannt sind vier (siehe die Eiszeiten). Die Natur erholte sich immer und schuf sich dadurch einen Werkzeugkoffer für Reparaturen. Sie setzt ihn immer so ein, dass ihr Anfangszustand wiederhergestellt wird. Sie sieht eine Störung nicht als Katastrophe, sondern als Event, als Neuanfang. Z. B. hatte der Bayerische Wald vor Jahren wegen des Borkenkäfers kahle Höhen. Heute steht dort wieder guter Wald, besser als zuvor.

Eine Störung bringt Tod, weckt aber auch Widerstand und geduldigen Aufbau, betonte von Heßberg. In den 80er Jahren betrieb man z. B. "Käseglocken-Naturschutz" und dachte die Störungen nicht mit, obwohl sie dazugehören. Deshalb heute sein Appell: Finger weg von zu viel Schutz, denn die Natur kann es besser.

Ein natürlich nachgewachsener Wald ist widerstandsfähiger als ein angesäter. Von Heßberg will auch keine Zäune um neue Setzlinge im Wald ("das bringt beim Wachsen wissenschaftlich erwiesen bloß 5 Jahre Vorsprung"). Neue Setzlinge erzeugen einen zerbrechlichen Wald. Lieber lässt man den Reh-Fraß zu und hat danach eine Systemstärkung.

Vier Grundsätze

Andreas von Heßberg gab vier Regeln mit:

1. je vielfältiger die Arten sind, desto stabiler reagiert eine Landschaft auf Störungen

2. und desto besser erholt sie sich

3. viele Arten-Mitglieder puffern wechselnde Extremeinflüsse gut ab, sie machen stabil

4. die Vielfalt gibt im großen Umfeld, weit über den engen Bereich hinaus, mehr Widerstandskraft, mehr Belastbarkeit und bessere Erholung.

Diese 4 Grundsätze gelten auch für ein Dorf oder für den Menschen.

Beim Klimawandel ist zudem das zügige Sich-Anpassen wichtig, weil der Wandel ja nicht verhinderbar ist. Und man muss das vorhandene System stärken. Sonst kommt es dahin, dass die Hälfte der Bauern hitzebedingt aufgibt, weil sie kein Futter mehr für ihre Milchkühe hat. "Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Und der Schlüssel dafür heißt ,Artenvielfalt'." D. h. keine Pestizide, kein Düngen. Und die Störungen schützen, weil sie alles stärken. Und die Natur darauf antworten lassen - dann haben wir in Zukunft genug Widerstand gegen starke Events.

Golfstrom am Ende?

In der Diskussion ergänzte Andreas von Heßberg:

1. Die Zahl der Menschen sinkt vermutlich wegen der Naturveränderungen von 8 Mrd auf 4 Mrd.

2. Vermodert ein Baum im Wald, gibt er sein angesammeltes CO² langsam innerhalb von 70 Jahren ab. Viel davon geht nicht in den Boden, weil es Kleintiere aufnehmen und verarbeiten. Aber verheizt man den Stamm, geht das CO² blitzschnell in die Luft. Von Heßberg: "Wir brauchen mehr Natur. Die holt das CO²." Die Welt dürfte noch 150 bis 200 Jahre zu viel CO² in der Luft haben, dann geht es wieder langsam herunter.

3. Der Golfstrom bringt Europa die warme Luft der Kanarischen Inseln, angetrieben durch eine nördliche Pumpe: Denn bei der Arktis mischen sich kalte Geltscherabflüsse (Süßwasser) mit dem Meer (Salzwasser). Diese Gemisch-Pumpe fällt aber aus, wenn die Gletscher abgeschmolzen sind. Dann hat Deutschland ein Klima wie Mitttelschweden, und die Atlantikküstenländer frieren. Es kann 1000 Jahre dauern, bis dann aus dieser Klimaabkühlung wieder Eis in der Arktis entsteht.

4. Kommt ein Polsprung (alle 30 000 Jahre), hat das wenig Einfluss auf Pflanzen und Tiere, auch nicht so dramatisch aufs Wetter. Aber Nordafrika könnte wieder Regen und Tierleben bekommen, wie es dort früher war und auf den 7000 Jahre alten Felszeichnungen der Sahara abgebildet ist.

5. Wo Kalkboden vorherrscht (Unterfranken), wirkt sich die Klimahitze stark aus. Bayreuth mit seinen Sand- und Sedimentböden hat da Glück. Das Fatale ist, dass in diesen heißen Sommern der wenige Regen nicht mehr ins Grundwasser abgeht. Erst in 2 - 3 m Tiefe kommt aktuell ein feuchter Boden. Dahin reichen aber viele Baumwurzeln nicht (die Fichte hat nur 0,5 m Wurzeltiefe). Auch die Buchen geraten so in Trockenstress. Nur die Winterregen füllen das Grundwasser auf.

6. Schon die Mittelalter-Bauern kannten trockene Sommer. Deshalb fluteten sie schon im Frühjahr ihre Wiesen, um das Gras sofort hochschießen zu lassen, als Winter-Futterreserve für die Tiere. Die Beweidung und Mahd waren terminlich ausgeklügelt darauf ausgerichtet, den heißen Sommer gut zu überstehen.

7. Die Menge des Regens wird in Zukunft gleich bleiben, wie seit Jahren schon. Es verschiebt sich nur der Zeitpunkt, wann er fällt. Von März bis September kommt künftig sehr wenig.

8. Die Hollfelder Mulde hat deshalb so viel Grundwasser, weil der Kalkboden drüber so viel durchlässt.

9. Kann man die brasilianische Urwald-Abholzung aufforsten? Es ist schwierig, sagte von Heßberg, denn ein Urwald sammelt am Boden keine Blätter oder Altholz an, weil es dort so viele Kleintiere gibt, die in der Wärme florieren und alles verdauen. Es gibt also im Boden keine Nährstoffe wie bei uns. Deshalb ist eine Nachzucht von Bäumen schwer. Es kann 1000 Jahre dauern, bis sich der verbliebene Urwald wieder ausbreitet.

10. Hat diese Abholzung Folgen für die Welt? Von Heßberg verwies auf den berühmten Schmetterling in China, dessen Flügelschlag in Europa einen Sturm auslösen kann: "Es ist alles verknüpft. Die Erde ist ein großer Organismus. Wir kennen nur 14 % aller Land-Arten und 7 % der Meeresarten. Die Hälfte aller Arten wird wieder verschwinden, wenn wir so weitermachen, bevor wir sie überhaupt entdeckt haben. Der Verlust gleicht einem Geldverlust, so wertvoll ist er. Die Artenvielfalt ist unser Schatz für die Zukunft."

11. Die Nobelpreisträger treffen sich regelmäßig in Lindau. Dort fragte ein Journalist: Was ist die brennendste Frage der Gegenwart? Die Antwort: An 3. Stelle der Klimawandel, an 2. Stelle der Verlust der Bodenfruchtbarkeit und an 1. Stelle der Verlust der Artenvielfalt. Bevor sich eine Art neu bildet, müssen mehr als 1000 Jahre vergehen.

Von Heßberg: "Was weg ist, ist weg. Wir müssen die Artenvielfalt retten. Ihr leises Sterben kriegen wir nicht mit. Wir kratzen an der Oberfläche." Von Heßberg sieht ein Fischernetz um die Welt gespannt. Jeder Knoten ist eine Tier-/Pflanzenart. Fallen viele Arten aus, fehlen viele Knoten. Der Mensch, der oben auf dem Netz sitzt und es ausnützt, sieht das Loch zu spät und stürzt ab.

12. Wie oft sollte man eine Wiese güllen, wenn überhaupt? Höchstens einmal im Frühjahr, sagte von Heßberg. Es gibt von den Landwirtschatlichen Lehranstalten in Bayreuth seit 35 Jahren kleine Versuchsfelder bei Losau. Dort kam heraus: Viel Dünger und Gülle bringen nur 5 % mehr Futter als 2 x Gülle. Es wird nämlich zu viel für die Pflanzen.

Eine ungedüngte Wiese hat 50 Arten, z. B. in der Fränkischen Schweiz und im oberen Fichtelgebirge. Eine beweidete Wiese hat mehr Arten, weil der Kuh-Tritt und das Äsen für Störungen sorgen. "Für das Ökosystem brauchen wir Weidetiere. Auch wer eine verstorbene Kuh verscharrt, sorgt an dieser Stelle für ein top Ökosystem.

13. Ist der Wolf gut für das Ökosystem? Von Heßberg, der aus einer Forstfamilie kommt und Gutachter für Wolfriss-Schäden ist, rechnete vor: Ein Wolf allein hat ein Revier von 20 000 Hektar. Auf dieser Fläche leben 2500 Stück Rehwild. Der Wolf nimmt sich ein Reh pro Woche. Das ist verkraftbar.

13 Wie geht es weiter? Von Heßberg: "Ich bin Optimist, dass wir es schaffen. Ich kann nur sagen: Pflanzt Bäume!" Die Erderwärmung dürfte erst im Jahr 2200 gestoppt sein, aber danach geht es runter. Oberfranken hat bis dahin 4 Grad mehr, Unterfranken 5 Grad.





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