Vergiftet vom Plastik

Wahrscheinlich ist er der Schwarm alternativer Frauen, dieser Professor Christian Laforsch. Mit seinem Aussehen wie ein junger Old Shatterhand, mit Pferdeschwanz, stetem Lächeln und bayerischem Touch in der Stimme, erläuterte der Experte für „Mikroplastik in Süßwasser“ die Gefahren unserer Kunststoffwelt.

Stellte Deutschland im Jahr 1950 noch 1,7 Tonnen Plastik her, sind es heute 320 Millionen Tonnen. 40 % davon sind Verpackungen. 32 % landet im Müll, 27 Millionen Tonnen aber in der Umwelt. Wann verrottet das? Einige sagen: In 500 Jahren. Laforsch sagt: Nie.

12 Millionen Tonnen Plastik landen jedes Jahr im Meer. Das sind 5 080 000 000 volle Gelbe Säcke. Aber den Plastikteppich im Meer, die Plastikinseln, gibt es nicht. Die Fotos davon stammen aus Flussdeltas. Trotzdem: Im Meer dümpeln 1,5 kg Plastik je Quadratkilometer. Die Masse an Kunststoffen sinkt im Kleinformat auf den Boden der Ozeane. Zum Beispiel ist der Grönlandgraben, 6000 m tief, stark betroffen.

Auch Strände überall auf der Welt, ohne Ausnahme, sind mit Plastikabrieb versetzt. Sichtbar ist er extrem in Hawaii auf dem „plasticbeach“. Jedes rundgescheuerte Plastikteil sieht aus wie ein Stein und läuft fachlich unter Plastiglomerat.

Christian Laforsch wies darauf hin, dass Mikroplastik in Kosmetik steckt, dass es Miniteile (Nanoplastik) gibt, wozu Studien fehlen. Dass Landwirte auch Plastik einsetzen, die Industrie, die Hausfrau: Einmal Kunstfaser in der Waschmaschine gesteckt, bleiben je Waschgang 2000 Fasern übrig und treiben zum Fluss. Dazu kommt noch der Reifenabrieb auf der Straße

Ein Bayreuther Student wies in seiner Doktorarbeit nach, dass es dem Gardasee so geht wie jedem abgelegenen Alpensee: Am Ufer finden sich kleine und große Plastikreste. „Es sind die gleichen Polymere wie am Meeresstrand.“ Das reicht bis zur Mongolei.

Im Boden des Ruhrgebietes: Polystyrol. Das Schwarze Meer: Jeden Tag bekommt es 4,2 Tonnen Kunststoff. Hätte man bessere Analysemethoden, würde man erkennen: „Das ist nur die Spitze des Eisbergs.“

Leidtragend sind zuerst die Tiere: Vögel, Schildkröten und Fische schlucken die Kunststoffe. Ein Bild zeigt den Mageninhalt eines Albatros-Jungen: Zwei Händevoll von kleinen Plastikteilen, die ihm seine Mutter in den Hals gestopft hatte, weil sie dachte, es ist Futter. Um 80 % ging deshalb die Albatros-Population zurück.

250 Arten des Meeres sind betroffen. Im Süßwasser leidet sogar der Wasserfloh. Was Muscheln und Fische aufnehmen, verzehrt später der Mensch. In Belgien, wo das Muschel-essen „in“ ist, sind z. B. 90 Plastikmikroteile auf 250 gr Muscheln zu finden. 11 000 davon schluckt der Belgier also jedes Jahr.

Laforsch: „Additive lösen sich dann im Magen und gehen in die Organe. Auch Schadstoffe kleben an.“ Diese Gefahr untersucht die japanische www.pelletwatch.org. „Noch ist unklar, wie viel und wie schädlich solche Anhaftungen sind. Da besteht Forschungsbedarf.“

Kleinste Partikel bleiben auch auf immer in der Erde. „Ein Bonbonpapier, das auf dem Unigelände im Gras liegt, landet irgendwann im Fisch eines Supermarktes und so in unserem Magen.“

Man solle nicht sagen: „Die Politik muss da was tun“, so Laforsch. Sondern jeder muss selbst handeln. Zum Beispiel kommt es zur größten Plastik-Verschmutzung des Erdbodens, weil die Hausfrauen ihren Biomüll in Plastiktüten stecken und so in die Biotonne werfen. „Biokompost hat den stärksten Plastikgehalt.“





Kontakt: Th. Knauber - E-Mail