Bio, Whiskey und Burger
Erst waren wir nur zu sechst, und ich dachte schon, es ist zu wenig für Anne Leichtenstern, wenn sie sich schon die Zeit nimmt für uns. Aber dann trudelten immer mehr Leute ein, bis wir 20 waren.
Anne Leichtenstern erzählte so gut, mit Humor und immer alles knapp. 2009 begann es in Altencreußen. Davor hatte ihr Mann, der in Abenberg einen Malerbedarf-Großhandel mit 50 Beschäftigten hat, jahrelang Westernpferde gezüchtet. Aber beide hatten Lust auf ein Bauer-Dasein. Sie suchten fünf Jahre weitum, bis sie diesen "Büttner-Hof" fanden. Er gehörte einst einer Großfamilie mit neun Kindern und stand zehn Jahre leer.
Die 60 Hektar Land werden seit 2014 "bio" bewirtschaftet, momentan mit der Hilfe zweier Angestellter. Und eine Haushälterin sucht Anne Leichtenstern zusätzlich.
Aus den Westernpferden und dem "Westernspleen" entstand der Wunsch, US-Rinder zu züchten. Die texanischen Longhorn-Exemplare sind die Nachfahren der einst von den Siedlern nach Texas gebrachten Tiere, die ausladende Hörner entwickelten, um sich vor Wildtierangriffen zu schützen.
Der Import läuft im Allgemeinen über Embryos, die aber bestrahlt werden. Und US-Rinder sind durch ihre Tiermehl-Ernährung oft BSE-gefährdet. Deshalb wandten sich die Leichtensterns nach Kanada. Nach zwei Jahren der Bürokratie-Überwindung gelang der Lebend-Import. Heute sind zwölf verschiedene Mutter-Linien auf dem Hof und die Bullen dazu. Die Kälber werden in ganz Europa verkauft.
Vor zehn Jahren kam die Idee dazu, auch das Fleisch älterer Rinder zu verwerten - über die Produktion von Burgern. Dafür kaufte Anne Leichtenstern eine teure US-Maschine, die einen extrem hohen Durchsatz hat. Sie könnte 1800 Burger pro Stunde schaffen.
Die Leichtensterns achten beim Schlachten besonders auf eine schonende Behandlung der Tiere bei einem Landmetzger. Denn man kann vorher noch so viel Bio-Mühe aufwenden - geht plötzlich der Schlachtstress los, ist alles umsonst. Diese Landmetzger haben aber Personalmangel und schließen vermehrt - "ein großes Problem in der Zukunft".
Alles, was der Hof produziert, kann man immer Freitag nachmittags direkt hier einkaufen, oder man bestellt es online. Oder man geht in das neue Bayreuther SuperCenter der Edeka, wo eine Hofladen-Fläche viele regionale Anbieter vereint. Auch unser Bioladen und der Dorfladen in Emtmannsberg werden beliefert.
Das nächste Standbein, die Destillerie, fußt auf 51 eigenen Obstbäumen (für Obstbrand). Dazu kommen Whiskeys aus Biogetreide und Malts aus Bio-Malz. Verschiedene Auszeichnungen belegen die hohe Qualität, die Ehemann Alexander Leichtenstern da hinbekommt.
Wir sahen auch den Keller mit den Whiskeyfässern und lernten alles über alte und neue Eichenfässer sowie Kastanienfässer. Auch von heugelagerten Fässern am Dachboden hörten wir, die Temperaturschwankungen von 60 Grad mitbekommen sollen, vom Winter bis in den Sommer - jahrelang.
Die Leichtensterns sorgen auch bei einem historischen Westernclub für den "Hudson-Likör", wie er damals in den USA üblich war. Das ist 33-prozentiger Whiskey mit Ahornsirup. Er wurde hier bei einer internationalen Bewertung gleich mal mit "Gold" gewürdigt.
Zum Hof gehören auch Enten und Hühner (gerade schlüpften im Brutkasten die ersten Küken - sie kämpften sich aus der Eierschale, wo sie eng eingefaltet gelebt hatten) und Schweine. Diese groß zu ziehen, ist teuer, weil ein Bioferkel 160 Euro kostet (ein normales Ferkel 30 Euro) und das Futter in dem halben Jahr bis zum Schlachten auf 1300 Euro kommt.
Wir hörten auch von Anne Leichtensterns Imker-Versuch, den sie aber 2017 einstellte, weil es zu viel Arbeit ist ("Ich habe Hochachtung vor jedem Imker, weil das so ein komplexes Thema ist"), weiter von einem Bio-Bäcker in Bamberg, der ihre Burger super erfolgreich als Mittagsvesper anbietet, und von Starkoch Alexander Herrmann, den sie auch beliefert. Er fordert immer eine Fleischqualität von 160 Prozent.
Wir sahen die Longhorn-Rinder vom Kalb bis zum leitenden Bullen, einem tonnenschweren, beeindruckenden Tier. Und die Hereford-Rinder, deren Fleisch weltweit als das beste geschätzt wird. Und die schönen Pferde der Schwarzwälder Rasse, die vom Aussterben bedroht ist.
Am Schluss ging´s noch in den Hofladen, wo jeder sehen konnte, wovon ihm vorher erzählt worden war: Dass 120 kg Schlehen nur 5 Liter Brand ergeben (aber 40 Liter "Geist", weil der zugekaufte Alkohol drin ist). Dass es einen Rauch-Whiskey gibt (dafür nützt man den "Nachlauf" des Destillens). Dass Gin ein "Geist" aus Wacholderbeeren ist. Dass 115 kg Weizen etwa 40 Liter Whiskey ergeben. Die Hof-Produktion umfasst im Jahr etwa 300 Liter.
Wir fragten uns zunehmend, wie ein einzelnes Ehepaar das alles schafft. Und vor allem die Bürokratie. Anne Leichtenstern ist da leidgeprüft. Nicht umsonst breitet sich bei den Bauern immer mehr die Krankheit "Depression" aus, sagte sie. Sie erzählte z. B. von einem Online-Zoom, zu dem sich 770 Landwirte meldeten. Der Zoom erklärte neue Anträge und Formulare, die zu schwer zum Durchblicken sind.
Wer Anne Leichtenstern einmal vom Fernsehsessel aus erleben möchte: Der BR zeigt sie am 19. Juni in seiner Sendung "Lust aufs Land". Schon 2016 war sie einmal fernseh-populär, und zwar als Siegerin der "Landfrauen-Küche". Dazu gibt´s ein Kochbuch: 14 Bäuerinnen geben ihre besten Rezepte weiter. Anne Leichtenstern ist dabei.
Wer sie einmal live erleben will: Man kann sich den Bussen voller Landfrauen anschließen, die oft zu ihr kommen, oder den BBV-Ausflugsbussen.