Ausflug zum Münzinghof
Nur eine Handvoll Enthusiasten fuhr mit, leider. Denn es war ein so guter Abend. Wenn jetzt nicht im nächsten Jahr "40 Jahre Münzinghof" wäre (vermutlich am 17. Juni), wo jeder sowieso alles sehen kann, würden wir noch einmal eine Fahrt anbieten. Denn diesmal sahen wir nur die Landwirtschaft, nicht die Häuser innen, nicht die Schlosserei, Gärtnerei, Bäckerei, Käserei, Hausmeisterei, Kerzenzieherei und Taschenherstellung.
Landwirtschaftsmeister Peter Blanke aus Velden führte uns. Er war erst Mechaniker und studierte dann Öko-Landwirtschaft. Er umriss kurz, wie der Münzinghof entstand, diese große WG für "Menschen mit Hilfsbedarf". Eltern der Nürnberger Karl-König-Schule suchten etwas auf dem Land. Zu ihnen stießen Unzufriedene der Camphill-Bewegung, denen es dort zu reglementiert war. Sie wollten freier leben. Heute unterstützt der Staat die angebotenen Arbeits- und Wohnplätze für die hilfsbedürftigen Menschen, nicht aber den Landwirtschaftsbereich. Ihn "trotz der Probleme" zu einem Plus von 30 000 Euro im Jahr zu führen, macht Blanke stolz. "Es ist hart, aber eine große Herausforderung."
Der Münzinghof mit seinen 180 Bewohnern wurde in den 40 Jahren zum größten Dorf um Velden und zum größten Arbeitgeber. 100 Menschen stehen auf der Lohnliste. Die Personalkosten betragen 3,4 Mill Euro.
Ein Gremium von 20 Leuten leitet alles mit flacher Hierarchie, über Ausschüsse. Die einzelnen Hofbereiche sind eigenständig und rechnen eigenständig, d. h. sie handeln untereinander wie Firmen. Das Getreide der Landwirtschaft muss z. B. von der Bäckerei gekauft werden, deren Milch von der Käserei. Man versucht, immer in Kreisläufen zu leben.
Die Kühe haben einen weichen, warmen Tiefstreu-Laufstall und eine Außenweide. Sind sie alt, werden pro Jahr drei oder vier von ihnen geschlachtet. Die Milchleistung ist für Bioverhältnisse hoch (8000 ltr; eine herkömmliche Kuh muss zwischen 10 000 und 15 000 bringen). Es gibt hier auf dem Hof keine Fruchtbarkeits- oder Klauenprobleme.
Die Kälber wurden lange ab dem Alter von zwei Wochen verkauft, woraufhin sie in die normale un-bio Mühle gerieten: Enthörnen, Mast mit Milchersatz bis zum Gehtnichtmehr, auch wenn sie nach Rauhfutter gierten. Aber sie bekamen keins, weil es ihr Fleisch dunkler macht. "Eine schlimme Sache, Kälber so zu entsorgen." Aber seit zwei Jahren behält der Münzinghof seine Kälber bis zum 10. Monat. In konventionellen Betrieben dürfen sie nur 8 Monate alt werden.
Zum Münzinghof gehören 90 Hektar Land und 22 Hektar Wald, oft aufgeforstet. 200 bis 300 Ster Brennholz werden gewonnen. Es gibt ein Blockheizkraftwerk mit Hackschnitzelvergasung und einen Generator mit V8-Chevrolet-Motor. Strom und Wärme kommen heraus. Der Strom fließt ins Netz, weil es lohnender ist, dann Biostrom zurückzukaufen. Im Winter ergänzt eine Hackschnitzelheizung am anderen Ende des Dorfes.
Ein mobiles Sägewerk wird geholt, wenn genügend "Bäume mit Charakter" angesammelt sind, um den Möbeln der Schreinerei durch ihre Maserung etwas Pfiff zu geben. Die Schreinerei nimmt gerne Aufträge von außen entgegen, genauso die Schlosserei (Balkongeländer, Zäune, Edelstahlsachen). Der Vorteil ist, dass sie nur 7 % Mwst verrechnen müssen und so billig sind.
Wer einmal die Käserei oder Gärtnerei besuchen will, zum Einkaufen, hat am Samstagvormittag seine Chance. Die Gärtnerei ist auch wochentags von 9 -12 und 14.30 bis 18 Uhr geöffnet. Einen Dorfladen gibt es absichtlich nicht, weil dann das Erlebnis fehlt, die handwerkliche Herstellung zu sehen.
Ein kleiner Laden soll aber bald in Vorra kommen, wo der Münzinghof ein Cafe kaufte, die "Vogelbeere" (beim Ex-Roten Ross). Im Münzinghof gibt es auch schon ein Cafe, immer freitags am Abend offen, für jedermann.
Aber zurück zur Hackschnitzelheizung. Ihre Abwärme trocknet 1700 Kubikmeter Schnitzel pro Jahr. Getrocknet wird auch - solar - nasses Gras in der Heuhalle. Dadurch muss es auf der Wiese nicht gewendet werden und verliert nicht seine wertvollen Kleinblätter. Man mäht spät, so Peter Balke, weil dann keine Bienen mehr im Gras sind und weil dessen Zuckergehalt dann höher ist, was dem Grundfutter später hohen Energiegehalt gibt.
Ein kleiner Schweinestall mit den saubersten Schweinen, die ich bisher gesehen habe, hat Kuschelboxen für 4 Tiergruppen a 6 Schweine. Die Ferkel dafür werden gekauft und mit Kuhfutterresten und Molke ernährt bis zum Alter von 10 oder 12 Monaten, dann geschlachtet. Alle sechs Wochen sechs von ihnen. Was man nicht selbst braucht an Fleisch, geht an die Nürnberger Bioladenkette Ebl.
Zwei Pferde leben auf dem Hof für Reittherapie. Geplant ist, ein Hühnermobil zu kaufen. Das ist ein Großwagen, der alle zwei Wochen zu neuem Kleegrasland gefahren wird.
Ebenfalls geplant ist eine neue Werkstatt. Peter Blanke hofft hier, dass es mit wenig Geld geht, und dass viele Rentner aus der Umgebung ihr Wissen einbringen. Oder sogar mithelfen, wenn sie noch rüstig sind. "Aber es genügt, wenn einer sagt: Ich war Maurer und ich kann euch sagen, wie ihr es am besten macht."
Zudem sollen die zwei Güllegruben zugunsten einer neuen, großen Grube verschwinden.
Sein Plan ist noch, Dexter-Rinder anzuschaffen - sie sind extrem klein, wie große Hunde - , um sie für die Landschaftspflege einzusetzen. Zum Beispiel hat man schon den Auftrag, die Wacholderheide bei Lungsdorf in Schuss zu halten.
Ein neuer Stall für Kälbermast und Trockensteher (das sind Mutterkühe, die zwei Monate vor dem Kalben nicht mehr gemolken werden) und zwei Ammenkühe ist auch geplant.
Der Münzinghof selbst soll nicht größer werden. "Damit haben wir uns lange befasst. Es soll bei 180 Menschen bleiben. Wenn, dann gibt es einen Ableger."
20 Azubis hat der Hof. Sie kommen aus aller Welt in dieses Bioenergiedorf, das 2015 den bayerischen Umweltpreis erhielt. Denn Mundpropaganda zieht sie aus Argentinien, Afrika, Thailand und Neuseeland her. Peter Blanke erzählte den interessantesten Fall: Mikel aus Idaho hatte Mathematik studiert und war vor der Professorenkarriere. Da dachte er sich: "Soll das mein Leben gewesen sein? 40 Jahre Uni?" Drum zog er lange durch die Welt und landete irgendwann in Ägypten. Dort wollte er die Wüste sehen, und brach zu einer Oase auf. In der Oase traf er einen Mann, mit dem er sich über das Leben und seine Chancen unterhielt. Der empfahl ihm: "Es gibt in Deutschland den Münzinghof." Mikel kam, wollte zwei Monate bleiben und machte dann eine Ausbildung.
Wir trafen auch einen jungen Hippie, der hier als Gärtner lernt, als "freier" Gärtner, weil bio-öko. Er sagte, er will danach etwas ganz anderes machen. Aber ihm gefällt es auf dem Hof.
Peter Blanke sagt, vielen gefällt es. Es gibt deshalb wenig Fluktuation bei den Mitarbeitern. Sie wollen auch im Alter bleiben. Darum denkt man jetzt an ein neues Gebäude mit sechs Wohnungen für sie. Und an ein Haus für Alte. Einen eigenen Urnenfriedhof gibt es auch schon.
Er selbst und seine Frau sind auch ein "Hauselternpaar". Denn in den acht Häusern für hilfsbedürftige Menschen gibt es immer so ein Elternpaar (mit seinen Kindern, unterstützt von zwei Personen) für die je acht Hilfsbedürftigen. So kommen bis zu 15 Menschen an einem Mittagstisch zusammen.