Der Rufer in der Wüste

Der Andersdenker Nico Paech sprach vor einem überfüllten Hörsaal an der Uni Bayreuth. Der Professor aus Siegen gilt als Rebell, der sagt, dass unsere "wattegebauschte Gesellschaft" ihre Blüte hinter sich hat und dem Untergang zugeht. Sie wurde zu sehr mit "Wachstum! Wachstum!" hochgetrieben und hat die Menschen und die Reserven der Erde ausgereizt. Jetzt müsste man die Bremse ziehen: Null Wachstum, Selbstbesinnung, neue Tatkraft im Kleinen.

Zu seinem Vortrag kamen viele interessante junge Leute. In ihren Gesichtern stand Klugheit und das Wissen um die Notwendigkeit, anzupacken in dieser kippenden Welt.

Nico Paech begann mit einem Wort von Mark Twain: "Wenn wir unser Ziel verloren haben, verdoppeln wir unsere Anstrengungen." Er sprach von einem systematischen Scheitern, "das wir ignorieren und mit Scheuklappen weiterlaufen". Materiell und seelisch seien die Deutschen/Europäer an der Grenze des Ausgelaugt-Seins.

Er sagt: Im Moment sorgt jeder Deutsche für 11 Tonnen CO² im Jahr. Aber er dürfte nur 2,5 Tonnen verursachen. Mehr gibt das deutsche Budget nicht her, das den Klimaanstieg drosseln soll. "Was darf man sich mit 2,5 Tonnen materiell noch leisten? Reicht die Energiewende? Oder muss eine Postwachstumsökonomie her, also eine Wirtschaft ohne Wachstum?"

Paech verwies auf das Buch Geopferte Landschaft von Georg Etscheit, der auflistet, was die Energiewende an Boden kostet. Paech: "Wir überschätzen den technischen Fortschritt, die erneuerbaren Energien. Wir unterschätzen deren Bumerang-Effekt."

Die Energiewende sorge gerade mal für 12,6 % "grüne" Energie ("und schadet der Landschaft"), wohingegen die Atomkraft noch 6,9 % der deutschen Energie liefert, die Kohle 23,6 %, das Gas 22,5 % und das Heizöl 34 %. "Diese 34 Prozent sind das Problem. Aber darüber redet keiner."

Die Regierung in Berlin verweist bei Klima-Verhandlungen gerne auf positive deutsche Entwicklungen in der Vergangenheit, die aber Zufall sind, so Paech: Denn nach der Wende legte man viele DDR-Fabriken lahm, was für zehn Jahre den CO²-Ausstoß senkte. Und die Börsenkrise dank der Lehman-Brothers im Jahr 2009 hatte kurz den gleichen Effekt.

Paech betonte: Der Normalbürger erkennt die Situation und wirft sich auf Spar-Objekte, die CO² senken sollen (Windräder, Naturkleidung, E-Auto), aber wichtiger wäre ein sparsamer, klima-freundlicher Lebensstil. "Denn nur das, was der Einzelne an Öko-Belastung freisetzt, zählt." Und: "Es gab noch nie so viele Nachhaltigkeits-Objekte wie jetzt, aber der Pro-Kopf-Ausstoß von CO² ist immer noch so hoch."

Das Hauptproblem dabei sind die Flüge. Denn eine einzige Person sorgt für 4 Tonnen CO², wenn sie einmal nach New York fliegt und für 14,5 Tonnen, wenn sie einmal nach Neuseeland fliegt. "Der Rest seines CO²s ist im Vergleich dazu Schmuck am Nachthemd."

Wer zählt nun zu den Vielfliegern? Es sind - erwiesen - unter den Politikern zu allererst die Grünen. Nico Paech schüttelte den Kopf darüber: Sie wollen Sonnenenergie und fliegen dauernd; sie wollen Ökostrom und kaufen sich kleine SUV-Geländewagen.

"Die Bildung macht öko-bewusst, reich und mobil." Vor allem die studierten Ökofreaks und Grünen ("die Nachhaltigskeits-Schickeria") haben mehr Umweltverbrauch. Die immer stärker werdende grüne Industrie ummäntelt das.

Paech sieht als Notbremse nur eine Wirtschaft ohne Wachstum. Hier setzt er auf vier Stufen: Der Kunde wird genügsam; er versorgt sich selbst; die regionale Industrie wird gestärkt gegenüber der globalen Industrie; langsam und punktuell wird die gesamte Industrie umgebaut.

Die Zeit dafür ist gekommen, weil die Gesellschaft erschöpft ist. Sie hat keine Zeit mehr, keine Orientierung. Der Konsum-Burn-out geht einher mit doppelt so viel verkauften Anti-Depressiva.

Es kann sich zwar heute jeder -zig Geräte kaufen, aber er hat unverändert nur 3 bis 5 Stunden Freizeit am Tag dafür. Diese Geräte stehlen ihm die Zeit. Er schafft es nicht, ihnen Genuss abzuringen oder Nutzen. "Das Hamsterrad zerstört den Genuss. Wir leben psychisch über unsere Verhältnisse. Wir brauchen eine Kultur der Genügsamkeit."

Paech möchte die Arbeitszeit pro Woche auf 20 statt 40 festlegen. Er möchte den Wohlstandsballast wegwerfen, zur Eigenproduktion anregen, Sharing-Netze knüpfen und Recycling für Geräte anregen. Wir sollen mit allem schonend umgehen, viel reparieren; auch lieber Handwerker sein als Akademiker. Wir sollen teilen, sogar die Waschmaschine. Wir sollen die Nutzungsdauer von Geräten verdoppeln. Das halbiert den Bedarf. "Wir müssen den Bedarf senken und den Möglichkeiten der Öko-Industrie entgegeneilen."

Von den Politikern fordert Paech, auf alle Produkte zu schreiben, wie viel CO² denn ihre Herstellung kostet. Und vom kleinen Mann wünscht er, dass er Netzwerker wird. "Diese Dinge im Kleinen helfen schon."

Interessante Aussprache In der Diskussion meldete sich Susanne Bauer (Grüne Pegnitz) und verwahrte sich gegen Paechs Ansicht, die grüne Industrie sei nur ein Mantel für immer stärkeren Umweltverbrauch (greenwashing). "Sie verurteilen diesen Weg. Welche Alternative haben Sie?" Paech antwortete, die grüne Industrie bringe neue Produkte in die Welt. Aber nachhaltiger sei eine "Kunst der Unterlassung". Das Ziel müsse sein, dass jeder seine persönliche CO²-Bilanz betrachtet und nicht die Solarplatten auf dem Dach. Im Internet gibt es einen CO²-Rechner, der innerhalb von zwei Minuten zeigt, welches Produkt wie viel CO² auslöst (www.co2online.de). Zudem gibt es das schmale Buch Pendos CO²-Zähler. Handbuch für ein klimafreundliches Leben von Andreas Grabolle.

Das bedingungslose Grundeinkommen betrachtet Nico Paech als fatal. Denn jeder, der es bezieht, könnte irgendetwas für die Gesellschaft geben.

Ideal ist für Paech ein Staat, der stark, gut und sozial ist. "So ein Staat ist unabdingbar."

Er lobte den Vordenker Alberto Acosta, der es in Ecuador schaffte, die Rechte der Natur staatlich festschreiben zu lassen. Sein Buch dazu hat den Titel Buen Vivir - vom Recht auf ein gutes Leben.

"Das menschliche Glück hat Obergrenzen", sagte Paech weiter. Gibt man sich zu viel Bequemlichkeit (z. B. per Lift im Haus), wird man so geschwächt, dass Unglück die Folge ist.

Das Zerbrechen der EU und die Erlaubnis zum Fracking betrachtet Paech als sicher auf uns zukommend.

Er selbst verzichtet auf Flugreisen und hat kein Smartphone. Er ermutigte jeden, ähnlich in Nischen anzufangen mit dem Umstellen. "Wir müssen zum Stachel im Fleisch werden."

Die EU könnte ihre Subventionen streichen, die viele ruinöse Dinge per Brechstange am Leben erhalten, und dieses Geld für Basisdinge einsetzen. Das kompensiert auch den Steuerausfall, den sein 20-Stunden-Arbeitsmodell auslöst. "Man sollte dem Staat das Geld für Rüstung und Stuttgart 21 wegnehmen."





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