Ökologe stellt Waldforschung vor
In unserem "Auenland" hatte Buchhändlerin Dagmar Schorner alles so gut vorbereitet für die 35 Besucher dieser Lesung - aber dann donnerte es, regnete - und alle flüchteten ins "Kaffeemeister". Zu Gast war Prof. Dr. Hans-Jürgen Böhmer, in der Lohesiedlung aufgewachsen, und inzwischen weltweit aktiv. Er schrieb das Buch "Der nächste Wald wird ganz anders". Geprägt wurde er durch den Biologielehrer des Gymnasiums, Jürgen Hauck, und durch Bernd Raab vom LBV. Sie lenkten ihn zu seinem Studium.
Böhmer las eingangs einen 2400 Jahre alten Text von Platon, der das Abtragen der Humusschichten aus den Bergen beklagte, durch Regen. Sie werden kahl - und die gute Erde verschwindet im Meer. So alt sind die Probleme.
Böhmer zeigte dann die Hitzeereignisse (über 35 Grad) der letzten Jahre auf. In den sechziger Jahren waren es 120, heute das Zwanzigfache. Dauer-Hitze verhindert z. B. eine gute Samenbildung der Bäume.
Im Gegenzug haben wir seit 30 Jahren nur Regenfälle, die nicht mehr einsickern. Der Boden ist deshalb in der Tiefe trocken, was das eigentliche Problem ist. Davon sind Ost- und Mitteldeutschland betroffen. Die Küste und die Alpen haben noch mehr Regen.
Waldsterben
Sein nächstes Thema war das Waldsterben, 1982 so benannt und ab 1984 in Studien untersucht. Böhmer zeigte aber: Damals gab es kein Internet und die Forscher waren nicht verbunden, das große australische Fachwissen gelangte nicht nach Europa. Der ganze Hype darum versandete irgendwann in einer Stille, ohne große Aufklärung der Bevölkerung, was eigentlich Schuld war. Böhmer sagt: Es gab viele kleine Ursachen (schlechte Böden, Schmutzluft aus Tschechien, ungeeignete Baumtypen an den Standorten), aber der Hauptgrund war der Klimawandel. Denn ab 1976 gab es schon zu viele trockene Sommer.
Betroffen war auch Hawaii, wo er lange lehrte. Dort litten vor allem die großen Bäume, weil sie den Wassertransport nach oben nicht mehr schafften. Die Wasserzufuhr unter der Rinde riss, Luft drang ein.
Treibhauseffekt
Böhmer ging dann auf den Treibhauseffekt ein, von einem Schweden 1896 entdeckt. Dieser Wissenschaftler war begeistert davon, weil er sich davon mehr Wärme für Nordeuropa erhoffte. 1911 wollte man sogar Braunkohleflöze verbrennen, um nachzuhelfen: Bessere Ernten durch heißeres Klima. Damals forschten auch viele Frauen in dieser Richtung, nämlich in Russland.
Aus dem Jahr 1958 gibt es ein schmales Taschenbuch von Constantin von Regel, in St. Petersburg geboren, der auch in Bagdad, Istandbul und Kabul Professor war, in Graz und Genf. Er beobachtete, unterstützt von vielen Reisen, dass es schon lange einen Klimawandel gibt: Wälder wandern nach Norden, Steppen werden größer, Meere sind salziger, ewiges Eis geht zurück, Spitzbergen hat plötzlich mehr Schifffahrtswege. Aber sein Wissen verscholl mit seinem Tod 1970.
Heute weiß man viel mehr und die Wissenschaftler sind vernetzt, sie besuchen die vom Meeresanstieg bedrohten Inseln im Pazifik - wo Böhmer auch lange aktiv war -, aber es geschieht nichts. Es ist ein "Weltverbesserungs-Tourismus" der Fachleute: Sie kommen und reden, aber auf den Inseln ändert sich nichts. Böhmer erkannte: Nur die Demokratien sind kleine Bereiche mit Sinn für Klima-Gefahr; im Rest-Welt fehlt dieser Sinn. Dort geht es immer noch um Kommerz. China infiltriert zum Beispiel rücksichtslos die Inseln, um wirtschaftlich zu profitieren.
Oder große Firmen zerstören den Regenwald, ohne zu beachten, dass dort noch 9000 unerforschte Baumarten stehen. Erforscht sind weltweit 64 000.
Der heiße Sommer 2018
Was Mitteleuropa klimatisch einen schweren Schlag versetzte, war der Extremsommer von 2018, gefolgt von einem zu trockenen Winter und einem wieder heißen Frühjahr. Es gab weltweit Brände. 250 000 Hektar Wald verschwanden. Seitdem reagieren Förster mit an Hitze gewöhnten Baum-Importen, z. B. dem schnell wachsenden Blauglockenbaum. Aber oft halten diese keine Fröste aus. Gut ist hier die Traubeneiche.
In der Diskussion fragte Bernd Raab, ob allein das CO² schuld ist am Klimawandel. Und ob dieser nicht normal ist: Wir leben ja in der Fr. Schweiz auf einer Landschaft, die schon einmal Meer war, Wüste, dann wieder Meer und Wüste. Vielleicht erleben wir die übliche Warmzeit nach der letzten Eiszeit, die bis 1850 ging?
H.-J. Böhmer plädierte dafür, trotzdem CO² zu vermeiden, weil es ja einen Zusatzschub gibt. Er berichtete auch von russischen Bränden im Vorjahr, wo 9 Mill Hektar Wald (=Portugal-Größe) verschwanden. Und wodurch extrem viel CO² frei wurde. Waldbrände sind übrigens alle 120 Jahre üblich auf der Nordhalbkugel - bisher. Heute ist der Takt aber schneller. Bei einem Kieferwaldbrand in Brandenburg waren z. B. alte Munitionsreste im Boden schuld.
Frank Pirner vom Forstamt erläuterte, wie sein Team im Veldensteiner Forst wärme-resistente Bäume pflanzt und gerade mit der rumänischen Tanne experimentiert. "Das ist alles schwer." Er hat 50 Baumarten auf seiner Bestellliste. Zwischen 500 000 und einer Million Euro gibt er dafür im Jahr aus. München unterstützt den Waldumbau und stellt auch mehr Förster ein. Pirner empfahl einen Ausflug in den Botanischen Garten von Bayreuth, dessen Leiter Dr. Gregor Aas eine Pionierforschung in Sachen Klimabäume betreibt.
Ein Besucher sprach das Waldsterben im Harz an, im Naturschutzgebiet. Böhmer prüft in solchen Fällen in viele Richtungen, was Schuld ist: Der Boden, falsche Baumarten dafür, das Saatgut? Oder lassen die Förster absichtlich ungeeignete Bäume eingehen und haben schon einen Ersatz drunter gepflanzt?
Dr. Andreas von Heßberg, Bt., wünschte sich mehr staatliche Kontrolle in den Privatwäldern, ob dort auch der gewünschte Waldumbau erfolgt. Generell plädierte er für mehr Wildnis-Inseln.