"Wandelwerkstatt" für einen Wandel in der Welt

Die Bayreuther „Wandelwerkstatt“ rief zu Workshops auf, und weil es so gut klingt, ging ich mal hin. Professor Manfred Miosga steckt dahinter. Sein Studententeam bekommt vom Umweltminister Geld, um eine „Transformations-Plattform“ zu werden, also um den Wandel zu einer besseren Welt anzuschieben.

Miosga gründete nach dem Klimagipfel 2015 in Paris das „Forum1.5“ (weil das Klima nur um 1,5 Grad steigen soll). Dieses studentische Forum arbeitet daran, die Treibhausgas-Lage neutral zu halten, nicht mehr Resourcen zu verbrauchen - und Aktive zu gewinnen, um neue Ideen zu verbreiten. Die „Wandelwerkstatt“ dient dem letzten Punkt.

Als ich reinging, dachte ich: „Du bist gesund, du kannst denken, also musst du dich engagieren.“ Als ich am nächsten Tag rausging, hatte ich erfahren, dass ich ein kleiner Teil einer großen Bewegung bin, die gerade in vielen großen und kleinen Orten erstaunlich Neues startet – für ein gutes, erdfreundliches Leben.

Das Forum unterstützte schon: Pläne für ein „Zukunftsquartier“ im Bt-Stadtteil Kreuz, die Ökomodellregion, die Mobilitätswende, die Regionalwert AG, die Streuobst-Allianz, den Klimawald Bt (4000 neue Bäume), Friday for Future, Extinction Rebellion Bt (diese junge Bewegung a la „Fridays for Future“ fordert: „Zentrale Zielsetzung der Gesellschaft ist es in Zukunft, das Klima und die Ökosysteme der Erde so zu stabilisieren, dass sie allen Menschen und allen Arten, zuvorderst den am stärksten gefährdeten, ein sicheres Zuhause bietet.“), „Scientists for Future“ (Wissenschaftler planen für die Zukunft).

Zum Workshop-Start konnte jeder zusätzliche Ideen nennen: Z. B. Lastenfahrräder mit E-Motor verleihen (Green Cargo) für die Innenstadt; Lastenrad-Sharing (Klimaradl); „Haus für Eigenarbeit“ wie in München (mit Werkstätten für jedermann); ein „Zukunftshaus“ wie in Würzburg (es bündelt alternative Insellösungen); eine Food Coop Bt (unverpackt kommt die Ware des Bauern zum Verbraucher, siehe „Hamsterbacke e.V.“); Hilfe für Tansania (nach holländischem Modell soll eine precious-plastic-Werkstatt den armen Müttern etwas Geld bringen: Sie bauen aus zerlegtem Kunststoff etwas Neues und verkaufen es in Hotels); alternative Stammtische wie in Bamberg (z. B. zu alternativen Wohnprojekten); die Regionalwert AG stützen (heimische Ökoprodukte kommen fair zum Verbraucher); Ent-Teeren (wo unnötig betoniert und asphaltiert ist, kann man Grün pflanzen – free the earth). Letzteres war meine Idee.

Ein Workshop fragte: Wie kann man solche Ideen sinnstiftend vernetzen? Wie kann man das Forum 1.5 weiter entwickeln? Ein Zuhörer sagte am Schluss: „Wir haben einen neuen Tanz gelernt (den digitalen Nutzen). Das ist ein Kultursprung, eine neue Form der Kommunikation.“

Der nächste Workshop fragte: Wo können Gemeinden und Firmen mehr für das Gemeinwohl tun? Denn es sollte neben der Finanzbilanz auch eine Soft-Bilanz geben. Zwar braucht man eine gute Organisation, aber auch ein Leben ohne Korsett, ein freies Mitbestimmen (z. B. über die Höhe des Gehalts des Chefs). „Es war ein Wachrütteln, weil alte Strukturen so etwas nicht erlauben.“ Die Städte Mannheim und Stuttgart sind schon auf dem Weg zu solch einer „Gemeinwohl-Ökonomie“.

Der dritte Workshop entwarf Visionen für die Zukunft, ein Denken „outside of the box“ (neben dem Raster). Deshalb begann er mit Kürbis-Anpflanzen draußen vor dem Uni-Gebäude, bevor sich überhaupt jeder vorstellte. Um zu zeigen: Man kann alles anders machen, und vor allem einfacher.

Der vierte Workshop untersuchte, wo Kommunen menschenfreundlicher sein können bei ihren Aufgaben als Vorbild, Planer, Versorger, Berater, Vernetzer und Unterstützer. In dieser Richtung gibt es schon viel, aber kaum ein Bürger kennt es. Und Bamberg ist ein Vorreiter: „Es hat schon die Kultur dafür, obwohl es genauso eine bayerische Stadt ist wie jede andere, mit den gleichen Gesetzesvorgaben.“ Die Forum-Ideen sollen jetzt in die Gemeinden gebracht werden. Und die Stadträte/Bürgermeister ins Forum.

Der fünfte Workshop lehrte, wie man Mitstreiter für Ideen findet und wie man Kampagnen dafür anlegt. Hier war ich dabei, und hörte der jungen, fröhlichen Doktorandin Karen Hamann (Karlsruhe) zu, die einen kleinen Verein dafür gegründet hat (Wandelwerk) und uns vier Projekte bearbeiten ließ: Das Ent-Teeren, ökologische Stadtführungen in Bt, Rad statt Auto in Bt, Fridays for Future. Nicht zum Zuge kam eine junge Bt-Initiative, genannt „Keep cool kitchen“, die zeigen will, wie man Lebensmittel aus dem eigenen Garten einfriert oder wie die Oma einmacht.

Karen Hamann sagte: Erst musst du deine Zielgruppe kennen, dann deine Ziele nach ihnen leicht verschieben. Du darfst nicht aggressiv oder negativ antreten, sondern positiv und einladend. Du musst lernen, dich gewaltfrei zu unterhalten, um Gegner zu gewinnen. Und du kannst proteststarke Kampagnen starten, solltest aber darauf achten, dass sie positive Reaktionen auslösen, keine Angst oder Frust.

Karen empfahl weiter: Ehrliche Texte machen zu deinem Projekt. Die Überschrift muss einen wahren Fakt nennen, keinen ungefähren (einen Mythos). Du brauchst Grafiken und einen guten Layouter.

Verspreche den Mitstreitern/Zielgruppe, dass sie später in der Zeitung genannt werden (das motiviert sie sehr) oder lass sie etwas unterschreiben (dann ziehen sie auch ernsthafter mit). - Mache nicht zu viel, sonst entgleitet es dir. Konzentriere dich aufs Effektive. - Gebe andern das Gefühl: „Du schaffst das.“ Und dann: „Du hast etwas gemacht.“ - Stelle den Umweltschutz als etwas Leichtes hin: „Das kannst auch du umsetzen.“ – Schaffe unterstützende Situationen und ändere Strukturen dafür, denn sie sind leichter zu ändern als die Menschen. - Lerne das Zuhören: Akzeptiere den Gegenüber, bleibe dabei du selbst, strahle Wertschätzung aus, halte Pausen aus, diskutiere nicht zu stark. - Checke ab: Wo ist dein Wissen groß, wo ist das größte Problem, wofür ist wer verantwortlich, wo wollen wir das meiste bewegen? Wie ist mein Eigeneffekt, wo sind meine Ziele? Habe Humor.

Sage dem andern: „Du bist Umweltschützer! Du kannst was ändern!“ – Mache auch mal einen Musikprotest („Lebenslaute.de“, eine offene Musik- und Aktionsgruppe), handle auch mal leise (siehe die Initiative „silent climate train“). – Lerne, mal aus der Rolle zu fallen. Hab den Mut dafür. Andere verzeihen dir nämlich mehr als du denkst.

Driftet eine Diskussion ins Negative ab, dann lass sie etwas laufen, und stelle erst später ein positives Beispiel hin. – Als Projektleiter musst du Begeisterung ausstrahlen wie ein guter Lehrer, aber auch Platz lassen für andere Meinungen. – Entwickle bei dir zuerst starke Emotionen, dann handle. Vermittle Spaß und Freude. – Schau dich selbst vor dem Projektstart achtsam an, dann passt du besser in die Gruppe. – Lass es im Wettbewerb nie zu einem Fußballspiel kommen, sondern nur zu einem Freundschaftsspiel. – Suche Influencer (Promis, die für dich werben). –Lass mal andere kritisch auf dein Projekt blicken.

Manfred Miosga sagte am Schluss: Wir wollen Achtsamkeit in die Gesellschaft bringen; respektvoller sein; selbstständiger Denken; gefühlvoller sein. Wir wollen eine Welt ohne Autos und Drohnen; wir wollen Steuergerechtigkeit, wir wollen uns etwas trauen und über Regeln springen; wir wollen ein geändertes System. Aber weil wir das System sind, müssen wir uns selber ändern.

PS: Es lagen viele Bücher aus. Gut fand ich: Johanna Macy/Chris Johnstone: Hoffnung durch Handeln - dem Chaos standhalten, ohne verrückt zu werden (sie beschreiben, was es weltweit schon alles an Initiativen gab, auch vor Jahrzehnten und bei einfachen Völkern). Marshal B. Rosenberg: Gewaltfrei kommunizieren – eine Sprache des Lebens (er gilt als der Vater der Mediation, der Vermittlung von Streitenden. Er zeigt an wahren Fällen, wie man falsch oder richtig argumentieren kann. Er vermittelte z. B. zwischen Palästina und Israel. Es gibt noch ein Interview-Buch mit ihm und ein Übungsbuch von ihm.) - Im Oekom-Verlag erschienen „Degrowth in Bewegung(en)“ (weg vom Wachstum: über 30 kleine Initiativen werden beschrieben, die anders handeln) und „Einfach.Jetzt.Machen.“ von Bob Hopkins (weltweit kleine Ideen, wo schon angepackt wurde).

Empfohlen wurde das Debunking-Handbook von John Cook und Stephan Lewandowsky (es zeigt, wie man Gerüchte widerlegt). Und lustig war eine Maschine im Foyer, der „Papierpilz“. Damit kann man aus Schmierpapier selbst Ringbücher herstellen.

PS 2: Es gab ein super Essen von BioBio, aber BioBio schließt bald.

PS 3: Ich hab schon mehrmals gelesen, dass Leute extra in diese Zeit hineingeboren werden wollten, weil sie so interessant ist: Der Wechsel von der miestesten aller Zeitphasen (indisch "Kali") zur besten Zeit. Dieses Spannende spüre ich gerade sogar in Pegnitz, denke ich, wo bisher stille Menschen plötzlich mit guten Ideen vortreten, und diese Workshops zeigten es auch. In unserem Workshop sagte aber eine engagierte junge Frau aus Bayreuth, dass alles schneller besser werden müsste. Ihre kleinen sanften Projekte bringen zu wenig, sind nur eine grüne Blase, und Stärkeres müsste her. Auch Bernd Rothammel, Leiter des Klimaschutzreferats im Landratsamt und "Klimaradl"-Ausdenker, sagte: Jeder Alternative geht erstmal sanft vor, bis man merkt: Es hilft zu wenig. Und die Australier hätten gerade den Notfall ausgerufen: Die Erde ist so bedroht, dass man jetzt stark ansetzen muss.





Kontakt: Th. Knauber - E-Mail