Unglaubliche Insektenwelt

Mario Markus ist Insektenfan. Er schrieb ein Buch über diese pfiffige Welt: Unsere Welt ohne Insekten? Sehr ruhig und weit sehend. Man erkennt sein großes Gefühl für die Erde.

Er stammt aus Chile. Er dachte sich schon als Kind: Die Menschen sind alle so verschlossen. Es fehlen offene Fenster, wo jeder sein Wissen und seine Freundlichkeit zeigt. Wo man sich verbindet.

Er studierte dann in Deutschland Biophysik und Biochemie. Er war "wie besessen, neue Fenster zu öffnen". Und er sah dabei, dass die Insekten missachtet werden. Deshalb sammelte er die weltweite Forschung dazu. In seinem Buch stellt er an die 100 verschiedene Insekten vor, auch Spinnen und Krebse. Hier ein paar Beispiele:

Nachtfalter: Um nachts besser zu sehen, ohne zu viel spiegelndes Licht, haben sie matte Augen. Deshalb baut man Solarplatten mit matter Oberfläche. So dringt mehr Licht ungestört in die Tiefe.

Sahara-Ameisen: Sie haben "Kompass-Augen", d. h. sie orientieren sich bei Wanderungen an Lichtbündelungen im Himmel. So finden sie immer zurück, ohne Wegmarken. Die Uni Zürich baute als Kopie einen Sahara-Roboter.

Termiten: Ihre 7 m hohen Bauten haben ein perfektes Lüftungssystem, das verbrauchte Luft gegen frische tauscht. Die warme Innenluft wird außen abgeleitet.

Käfer: Ihre Panzer kann man mit einer Lauge in weiches Chitosan verändern. Daraus macht man künstliche Haut, künstliche Blutgefäße oder Filter für Kläranlagen. Japaner haben auf dem Chitin-Gebiet schon 781 Patente, Deutsche 61.

Hummel: Warum fällt sie nicht herunter, obwohl sie so schwer ist? Sie dreht ihre Flügel beim Flattern und beschreibt mit ihnen eine Elipse, keinen Kreis.

Knallkrebse: Ihr Krach ist im Meer 1 km weit zu hören. Sie schließen dafür eine große Schere so schnell, mit 100 km/h, dass in ihr 5000 Grad Temperatur entstehen. Kommt diese Hitzeblase ans kalte Außenwasser, knallt es.

Stabschrecke: Sie hat sechs Beine, nimmt aber immer nur drei. Diese stellt sie als Dreieck auf und hat ihren Körper in der Mitte darüber. So überwindet sie unwegsamstes Gelände. Ein Roboter-Nachbau existiert.

Kakerlake: Um Filmaufnahmen von kleinsten Winkeln zu bekommen, klebt man Kameras auf ihren Rücken und schickt sie los.

Radioaktivität: Der Mensch hält sie nicht aus, weil sich seine Zellen dauernd teilen und dann beschädigt sind. Insekten haben weniger Zellteilung und überleben: Die Wespe 200 x länger als der Mensch, die Taufliege 60 x, der Mehlkäfer 20 x.

Wespen: Der Chinese T´sai Lun guckte um 100 n. Chr. den Wespen ab, wie sie ihre Bauten herstellen - und erfand so das Papier. Er steht heute auf Rang 7 der 100 einflussreichsten Leute der Geschichte.

Bienen: Bienen haben Dialekte (= ihre Bewegungsprache), die sie blitzschnell lernen. Sie haben auch ein brutales Ausleseverfahren, um eine gute Königin zu finden: Im Stock werden um die 20 Larven als Königinnen angefüttert. Die erste schlüpft und tutet laut, 3 m außerhalb zu hören. Die nächste schlüpft und quakt. Beide kämpfen. Die Siegerin wartet auf die nächste Schlüpfende. Wieder Tuten und Quaken. Wieder der Kampf. Wieder muss die Siegerin gegen die nächste Schlüpfende antreten, bis die letzte Siegerin feststeht. Alle anderen werden getötet.

Monarchfalter: Er lebt in den Rocky Mountains und fliegt im Sommer 4800 km nach Süden, in ein nur 25 km² großes Berggebiet. Das schafft er in einem Zug. Aber am Rückweg läßt er sich Zeit: 4 Generationen lang. Diese 4. Generation kommt in den Rockies an, weiß komischerweise genau, wo die Sierra Nevada mit ihren 25 km² ist und findet wieder hin.

Argentinische Ameise: Sie ist längst überall verbreitet, immer bei Schiffsladungen mitgefahren, und unterhält in Europa das weltweit größte Nest, 6000 km lang. Es beginnt in Portugal und zieht sich um die Küsten von Spanien und Frankreich nach Italien. - Von den 9000 Ameisenarten der Erde holen sich 200 Sklaven, weil sie arbeitsfaul sind, unter anderem diese argentinische. Sie wandert dafür in ein fremdes Volk, d. h. eine Ameisendame bringt dort die Königin um und streicht sich schnell deren Schweiß auf den Körper. Die Arbeiterinnen merken nichts und bedienen sie, als wäre es die echte. Rasant sind 2000 argentinische Nachfahren in die 5000 fremden gelegt.

--------

Bekannt sind heute 1,4 Mill Arten. Die Tiere/Menschen machen davon 3,5 % aus, die Insekten 61 %.

Jetzt vermutet die Wissenschaft, dass in 30 Jahren die Hälfte aller Tiere (+ Menschen) weg sind. Es ist die 6. Auslöschung. Die 5. geschah vor 65 Mill Jahren, als die Dinos starben. Bei jeder Auslöschung waren 75 - 95 % der Arten weg.

Allein die 6,8 Mill Laternen in Deutschland töten jede Nacht 1 Mrd. Insekten. Gut wären hier Natrium-Niederdruck-Lampen.

Es gibt zwei Bücher, "Der stumme Frühling" (gegen DDT, 1962) und "Der Kreislauf der Gifte" (1984), die so wachrüttelten, dass langsam viele Spritzmittel weltweit verboten wurden.

Man entdeckte z. B. 2004 in Kenia ein totes Kamel - und 187 tote Geier daneben. In Spanien kam das 241 mal vor - immer tote Geier dabei. Sie starben, weil der Kadaver so viel Gift enthielt. Die Tiere hatten mit ihrem Futter die Spritzmittel aufgenommen.

In Bangladesh fragte man 820 Bauern, von denen die Hälfte giftkrank war, ob sie belehrt worden waren, was sie da als Pestizid verwenden? 87 % hatten keine Ahnung.

Singapur hatte 1819 auf 540 km² genau 95 % Regenwald. Bis heute blieben davon nur 24 km².

Würden die Bauern bei uns kleine Flächen mit verschiedenem Anbau wie ein Mosaik anlegen, gäbe es 30 % mehr Insekten. Und die Schädlingszahl sinkt parallel.

Ein Berliner Professor untersuchte Stadtgärten. Er war begeistert. Denn dort leben noch so viele anderswo verschwundene Insekten.

Dr. Paul Westrich schrieb das Buch "Wildbienen - die anderen Bienen" und gibt Nist-Bauanleitungen. Mario Markus empfiehlt es sehr.

So kann man als Fazit aus seinem Buch sehen: "Was viele kleine Menschen in vielen kleinen Dörfern tun, verändert das Gesicht der Welt." D. h. jeder kann ein bisschen beitragen. Jeder kann sein Fenster öffnen.





Kontakt: Th. Knauber - E-Mail